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:-) Journalismus Online 

Was ist Medienkompetenz?

Was leuchteten die Augen von uns Schülern, als wir damals im „Informatikzimmer“ die kiloschweren Laptops unserer Schule auf die Tische wuchteten und endlich mit „Computern“ arbeiten durften. Dass die Bildschirme noch schwarzweiss waren, störte uns gar nicht mal so. Auch wenn es schon gegen Ende der Neunziger ging. Als dann der erste iMac im Klassenzimmer stand, den natürlich nur der Lehrer bedien durfte, dachten wir, wir wären definitiv im digitalen Zeitalter angekommen. Aus Mangel an Geräten erlernte ich dann aber das Zehnfingersystem noch an Schreibmaschinen. Ja, damals sagte uns jeder, dass die Zukunft der Computer sei. Doch was verstand man da auf der pädagogischen Seite der Lehranstalten darunter? Auch wenn ich zugebe, dass die technisch Begeisterten sich freiwillig für ein Zusatzfach anmelden konnten, wo wir Stromstärken berechneten und dann sogar einen aus Lego gebauten Mini-Roboter mit einfachen Befehlen per Computer steuern durften, lernte die grosse Allgemeinheit mehrheitlich, wie man ein Word-Dokument richtig formatiert. Und das wars dann auch schon. Nun als mein erster Job von Rechnern wegrationalisiert wurde, da wusste ich schon wie es sich anfühlt, der Digitalisierung ausgesetzt zu sein. Lange bevor es den Begriff überhaupt gab. Geschützt hat mich das Wissen über die Anwendung eines Heimcomputers davor nicht.

Bildungspolitiker landauf und landab erzählen davon, dass man Geld ausgeben müsse um Technik zu kaufen, jedes Kind ein persönliches Tablet haben sollte. Andere kritisieren Smartphones und würden am liebsten alles im Unterricht verbieten, was elektronische Kommunikation ermöglicht. Die Generation Babyboom scheint Medienkompetenz noch immer mit der Fähigkeit Hardware, Maschinen, zu bedienen mit der derjenigen zu verwechseln, sich mit neuen Medien die Welt erschliessen zu können. Und überhaupt, das würden die sogenannten „Digital Natives“ ja sowieso schon in die Wiege gelegt bekommen. Ohne Smartphone bist du als Elfjähriger auf dem Pausenhof nicht mehr dabei. Über Facebook werden Rangkämpfe ausgetragen, die früher hinter dem Fahrradständer stattfanden, damit es das Lehrerzimmer nicht mitbekam. Und wenn heutzutage online etwas zwischenmenschlich schief läuft, schreien alle aufgebrachten Eltern am notfallmässig einberufenen Elternabend, dass Medienkompetenz gefragt sei und der Unterricht moderner werden müsse. Die alte Fehde, wer denn nun den Kleinen die Welt und ihre Probleme erklärt. Ungefähr so zerstritten, wie im Thema Sexualkunde geben sich Lehrer und Eltern gegenseitig die Schuld.

Aber was ist denn wirklich gefragt? Nur zu erklären wie die Geräte funktionieren, ist wirklich nicht der Schlüssel um Onlinemobbing bis hin zum Selbstmord oder das Weiterschicken von Sexvideos zu verhindern. Dass das Internet nie vergisst oder wo soziale Grenzen im Netz liegen, sind Dinge die zu den neuen Erziehungsaufgaben gehören. Ein besonderes Problem dabei ist, dass im Informationszeitalter eben gerade das sich informieren sträflich vernachlässigt wird. Laut einer kürzlich erschienen Studie der Universität Stanford, können 80% der Jugendlichen bis hin zur Stufe des Hochschulzuganges heute nicht unterscheiden, was bezahlte „Sponsored Contents“ und was Inhalte sind. Die Medienkrise verändert die Geschäftsmodelle der klassischen Medien in einem unglaublichen Tempo und ganz neue Medienformen schiessen geradezu aus dem Boden. Medienkompetenz bedeutet, zu verstehen wie digitale Ökosysteme funktionieren, was eine Filterbubble ist und dass wir ihr alle ausgesetzt sind. Junge Menschen müssen sich nur schon der Demokratie zu liebe selbständig in Medien unabhängig über Themen informieren können. Wie funktioniert der News-Feed bei Facebook? Warum twittert Donald-Trump und was sind die Folgen davon? Was ist Werbung und was nicht? „Ich habe aber im Internet gelesen dass…“ ist keine faktenbasierte Grundlage um Meinungen zu rechtfertigen. Wir erleben gerade mit grossem Schrecken wie rasend schnell sich die Weltpolitik verändert und wir spüren alle irgendwo, dass es auch mit elektronischen Medien zu tun hat. Aber wie soll eine Generation dafür Verantwortung übernehmen was ihre Kinder lernen, welche das Gute vom Bösen wie im kalten Krieg noch mit dem Unterschied zwischen dem Programm und der Werbepause trennt? Eine wahrlich nicht einfache Frage. Aber wir müssen handeln, und zwar schnell. Langsame politische Systeme und Gesetzesfindungsprozesse sind da nicht gerade förderlich. Internationale Standards sind noch meilenweit entfernt. Derweil bedienen sich digitale Multis munter an unseren Daten und wissen mittels Profiling mehr über uns als wir selber.

Die Welt ist nicht schlechter geworden, sondern anders. Wir müssen uns anpassen und unseren Kindern beibringen wie sie in dieser bereits stattfindenden Realität überleben, anstatt uns in einen protektionistischen Nationalismus zu flüchten. Den Grenzen haben sich dank des Internets schon längst aufgelöst, Globalisierung kann man nicht wieder rückgängig machen und das Internet wird auch keiner abschalten wollen. Medienkompetenz bedeutet, Inhalte zu verstehen und Mechanismen zu begreifen und damit zu mündigen Bürgern heranzureifen, nicht Urlaubsfotos mit Filtern aufzuhübschen. Es geht um den Wandel, dass Allgemeinwissen nicht mehr aus auswendig gelernten Fakten besteht, sondern auf der Fähigkeit aufbaut, mittels einer neue Kulturtechnik nach Informationen zu suchen, diese zu bewerten und sich daraus Wissen zu erschliessen. Diese Fähigkeit muss erlernt und trainiert werden. Die dafür benötigte Zeit geht zu Lasten der althergebrachten Methoden in der Bildungslandschaft. Es verändert auch die Chancen eines jeden innerhalb unserer Gesellschaft. Mit möglichst viel im Gehirn gespeicherten Informationen kann nicht mehr brilliert werden, denn das braucht es in einer Zeit der unbegrenzten Speicherkapazitäten auf Cloud-Servern nicht mehr. Damit werden nicht mehr übermässig die Fleissigen und Angepassten belohnt, sondern diejenigen, die es verstehen vernetzt zu denken und die, die sich trauen auch unkonventionelle Gedankenwege zu beschreiten. Dies zieht einen radikalen Wandel nach sich, dessen Folgen politisch und gesellschaftlich noch nicht vollständig abzusehen sind.

 

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