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Lernen mit multimedialen Sprach-Apps – funktioniert das wirklich?

Zugegeben, als ich jeweils die Werbung vor den Youtube-Videos wegklickte, hat mich die Firma eher genervt denn begeistert. Ich glaubte auch nicht wirklich daran, einfach per App eine Sprache lernen zu können und vertrat die Meinung, man könne eine Sprache nur direkt im Land selber lernen und erfahren. Die Einstellung hielt sich aber nur solange, bis mir ein wunderbarer Spanier über den Weg lief und mir total den Kopf verdrehte (ok, tut er immer noch). Zuerst wollte ich es ja nur zum Spass ausprobieren, um wenigstens ein paar Brocken zu können. Ich googelte also als kritischer Konsument erstmal nach Reviews, welche App ich mir den zu Gemüte führen könnte. Ich entschied mich dann aber relativ rasch für Babbel, auch wenn dieser Anbieter Geld kostet. Schon nach kurzer Zeit zog es mich so richtig rein und mein Ehrgeiz erwachte. Ich lernte täglich und mit Spass und hatte ständig sichtbare Erfolgserlebnisse. Klingt jetzt zu gut um wahr zu sein, aber ich tat es freiwillig (auch wenn es da eine gute Motivation im Hintergrund gab :). Was steckt dahinter?

Babbel durchlebte eine Evolution von einer reinen Desktop-Anwendung hin zur Mobile-App, denn das Unternehmen gibt es schon seit 2007 und wurde in Berlin gegründet, als dieses noch nicht das Startup-Mekka von heute war. So habe auch ich als Erstes mit der App begonnen. Man meldet sich mit einem Konto an und sucht sich einen Preisplan. Ich zahle im Moment um die sechs Euro pro Monat. Die Lektionen orientieren sich am Europäischen Referenzrahmen, der von A1 bis C2 international vergleichbare Stufen kennt. Die einzelnen Lerneinheiten sind in kleine Häppchen aufgeteilt, gerade genug um am Morgen in der U-Bahn oder mal zwischendurch zu lernen. Jede Lektion beginnt am Anfang mit neuen Begriffen, die gleich gelesen, geschrieben und gesprochen werden. Dann folgt ein grammatischer Teil, in dem meistens eine Regel erklärt wird. Zum Schluss folgt ein Dialog, der relativ praxisnah den Stoff wiederholt, man füllt dabei klassische Lücken. Ein Vokabeltrainer hilft einem über sechs Lernstufen die Begriffe richtig zu lernen und auch dauerhaft zu behalten. Meistens werden die Vokabeln auch gleich in einem Satz zur Anwendung gebracht, so dass man sie sich gleich in einem Kontext merken kann. Wenn man nicht dran bleibt, wird man sogar per E-mail daran erinnert, dass man gefälligst wieder weitermachen soll. Man lernt auch ganz nebenbei einiges über Land und Leute. Fazit: Was hätte ich mir gewünscht, dass es solch eine multimediale Lernwelt gegeben hätte, als ich noch zur Schule ging und mich verzweifelt durch Französisch murkste!

Sprachen lernen mit Hilfe eines Computers ist nicht neu, in den USA zum Beispiel ist das Unternehmen Rosetta Stone äusserst erfolgreich gross geworden mit Büchern und dazu gehörenden CD-Rom’s. Doch so praktisch in der Hosentasche wie mit einer App, das ist einfach nur wunderbar. Doch wie kam es dazu? Babbel, oder besser die dahinter stehende „Lesson Nine GmbH“, ist ein klassisches Startup und hat mittlerweile mehrere Fianzierungsrunden durch VC’s hinter sich. Auch Gelder aus einem EU-Fond haben das Unternehmen am Anfang seiner Karriere hin zu heute 190 Mitarbeitern unterstützt. Laut Mitgründer Markus Witte konzentriere man sich hauptsächlich auf den westeuropäischen Markt und expandiert gerade stark in den riesigen amerikanischen Markt. Dazu ist einer der Gründer, Thomas Holl, mit seiner Familie extra nach New York gezogen. Wer sind die Kunden? Alle die weder zu viel Zeit, Motivation oder Geld haben, sich klassische Kurse für viel Geld anzutun. Andere Konkurrenten wie Duolingo richten sich vor allem auf Schulen und Zertifikate aus. Babbel hat eine Reihe von Preisen gewonnen, so den „Innovate 4 Society“ auf der CeBIT, den „Erasmus EuroMedia Seal of Approval“ oder den „European Award for Technology Supported Learning“.

Speziell fällt auch die Kommunikation auf. Während im Fernsehen oder auf Youtube geschniegelte Hochglanz-Videos laufen, die zwar hübsch aber eher durchschnittlich sind, findet sich auf den sozialen Kanälen eine grosse Anzahl an kleinen, motivierenden Geschichten und Anleitungen in Videoform, die begeistern. Manche noch etwas hölzern und selbsgetrickt, aber darum um so authentischer. Dabei kommen verschiedenste Techniken zum Einsatz: klassische Explainervideos, Worte aussprechen üben, Crosschannel-Zeugs mit Youtubern, Komik, Reiseberichte und anderes mehr. Die grossen Bemühungen in diesem Bereich finden wir sympathisch und strategisch richtig um eine Bindung zu bestehenden Kunden aufzubauen oder um neue neugierig zu machen. Etwas nervig kann allerdings schon sein, wenn dank Cookies einem die Einstiegswerbung im Stil von „noch heute mit Sprache lernen beginnen“ auf allen möglichen Bannern im Web verfolgt, wenn man längstens schon dabei ist.

Alles in allem gefällt mir die Anwendung aus eigener Erfahrung sehr gut und ich sehe darin ein unglaubliche grosses soziales Potential, günstig und niederschwellig das Lernen von Sprachen weiten Teilen der Weltbevölkerung zugänglich zu machen, die heute keine Zugang zu Schulen oder Lernmöglichkeiten für Sprachen haben. Zudem ist es eine Chance, auf breiter Basis auch in industrialisierten Gefilden das Sprachenlernen für Generationen von Jugendlichen viel angenehmer und um Welten erfolgreicher zu machen. Denn ich habe in nur zwei Monaten bereits fast das Niveau A2 erreicht und nach 6 Monaten, ich habe nach den ersten Wochen das Tempo etwas verlangsamen müssen, bin ich nun gut bei B1 unterwegs. Noch nicht alle Sprachen sind auf höheren Leveln verfügbar. Die Apps haben alle ihre Grenzen nach oben und ich werde bald mit einem klassischen Fortgeschrittenenkurs beginnen. Denn etwas können die multimedial begabten Apps auch mit Spracherkennung nicht, die echte Kommunikation unter Menschen ersetzten. Aber nach kurzer Zeit konnte ich schon einfach Sätze lesen und verstehen, bald schaute ich spanisches Fernsehen und Serien, anfangs noch mit Untertiteln. Kürzlich habe ich sogar mein erstes richtiges Buch in Spanisch zu Ende gelesen.

 

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